Aus dem Amt scheiden

Hallo liebe Lesende,

es ist vorbei – zumindest für mich. Seit dem 01.Oktober ist der neue Vorstand im Amt und ich bin…frei. Es ist tatsächlich in vielerlei Hinsicht eine Befreiung, denn auch wenn ich die Arbeit gerne gemacht habe, war es derer dennoch viel. Eine klammheimliche Freude darüber, dass ich nun nicht mehr 40 Mails am Tag abarbeiten muss und mich statt dessen auf mein Studium konzentrieren darf, möchte ich eigentlich gar nicht verhehlen. Denn mein Studium hat unter meiner Vorstandszeit insofern gelitten, als dass ich einfach nicht die Zeit hatte, die Veranstaltungen zu belegen, die ich gerne belegt hätte. Wer mich kennt, wird wahrscheinlich schon bemerkt haben, dass für mich tatsächlich eine Einschränkung meiner Lebensqualität bedeutet hat.

Nun ist, wie es sich gehört, Bilanz zu ziehen. Was lief gut, was lief schlecht, was habe ich gelernt?

Was lief nicht gut?

Es gibt im Wesentlichen zwei Punkte, über die ich tatsächlich nicht glücklich bin. Zum einen ist das die Webseite, zum anderen das Thema Anwesenheitspflicht.

Ich hatte mir vorgenommen, gemeinsam mit anderen dem u-asta eine neue Webpräsenz zu verpassen. Die aktuelle Seite wird mit einem uralten CMS betrieben, sie ist hässlich, recht unübersichtlich und niemand weiß genau was man wo finden soll – das gilt auch für die Leute, die mit ihrer Verwaltung betreut sind. Es hat sich dummerweise herausgestellt, dass die Datenmengen, die auf dieser Seite archiviert sind, so groß sind, dass es kaum möglich ist eine neue Webseite ohne absurden Aufwand aufzusetzen. Eine grundlegende Überarbeitung kann man leider auch nicht machen, da die Umbenennung von Verzeichnissen die Server des RZ überfordert. Die Webseite gibt es seit gut 10 Jahren, jede u-asta Generation, jeder neue EDV-Referent geht mit ihr ein wenig anders um, baut hier und da ein Teil an und am Ende steht ein etwas, bei dem niemand mehr genau versteht, was es eigentlich ist. Es gibt jedoch einen Lichtblick: im nächsten Herbst kommt die VS, dann wird man der Studierendenvertretung eine komplett neuen Webauftritt verpassen – von allem anderen würde ich dringend abraten.

Der zweite Punkt, bei dem ich nicht das erreicht habe, was ich mir vorgestellt habe, ist das Thema Anwesenheitspflicht. Das Thema lag mir schon immer am Herzen, da mich die Idiotie dieser simulierten Leistungsüberprüfung – alles was mit einer Unterschrift abgeprüft wird, ist die Fähigkeit, den eigenen Namen zu schreiben – schon immer genervt hat. Studierenden aufgrund eines Kriteriums, das nichts mit den Inhalten einer Lehrveranstaltung zu tun hat, grundsätzlich von dieser Veranstaltung auszuschließen bzw. nicht zur Prüfung zuzulassen, ist nicht nur absurd, es ist auch rechtlich nicht haltbar. So sieht es zumindest das Wissenschaftsministerium von NRW. Dummerweise klagt einfach niemand vor Gericht gegen diese Regelungen, aber ich schweife ab. Jedenfalls gab es in Freiburg einen AK dazu, der sich leider etwas zerlaufen hat und ich hatte schlicht nicht die Zeit bzw. Energie, mich mehr um dieses Thema zu kümmern. Das „Alltagsgeschäft“ frisst einfach sehr viel Zeit.

Was lief gut?

Kommen wir zu den erfreulicheren Dingen, die zum Glück auch deutlich überwiegen. Erfreulich waren zunächst meine KollegInnen. Laura, Till und ich haben uns gut verstanden, uns gut unterstützt, wenn jemand mal mehr als andere an der Backe hatte, und – vielleicht am wichtigsten – wir hatten die Fähigkeit, die Dinge zwar gewissenhaft, aber nicht ohne Spaß an der Sache zu erledigen. Zuweilen sogar sehr viel Spaß.

Neben den offensichtlichen politischen Erfolgen (Abschaffung der Studiengebühren bei voller Kompensation durch das Land, Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft), haben wir auch hier vor Ort gute Sachen hinbekommen. Es wurde eine Erklärung für eine demokratische Hochschule verabschiedet, die wahrscheinlich auf Grundlage für ein Positionspapier der Landestudierendenvertretung wird. Wir haben erreicht, dass es Gruppenarbeitsplätze in der Mensa-Rempartstraße gibt, was die übrigen Bibliotheken entlastet. Außerdem haben wir großartige Pressemitteilungen geschrieben und – kann man ja auch mal erwähnen – das Protokoll der Vollversammlung am Folgetag veröffentlicht, was sonst Wochen dauert.

Was habe ich gelernt?

Aus diesem Jahr, in dem ich mich hauptsächlich mit Hochschulpolitik auseinandergesetzt habe, habe ich einiges mitgenommen. Vier willkürlich herausgegriffene Beobachtungen:

1. Wenn man es nicht selbst macht, wird es überhaupt nicht gemacht

Ich war früher irgendwie der Meinung (begründen konnte ich es nie), dass politische Positionspapiere, Aktionen usw. irgendwie von selbst zu Stande kommen. Das ist natürlich nicht der Fall. Im Grunde alles steht und fällt mit persönlichem Engagement. In den u-asta Struktur ist es außerdem so, dass sehr viel Arbeit an sehr wenigen Leuten kleben bleibt. Wenn sich der Vorstand nicht darum kümmert, dann bleiben die Dinge in der Regel liegen. Dieser „Flaschenhals“ ist sicherlich eine der Schwächen des derzeitigen u-asta Systems.

2. Die Uni ist wie ein das Deutsche Reich im 17. Jahrhundert (im permanenten Ausnahmezustand)

Damit ist eigentlich schon fast alles gesagt. In der Mitte sitzt das Rektorat (Kaiser), darum herum die Dekane (Herzöge) und die Profs (Grafen). Jede Partei kocht irgendwie ihr eigenes Süppchen; die linke Hand weiß nicht was die rechte Hand (geschweige denn der Rest des Körpers) tut, die Zentrale versucht den Laden irgendwie am Laufen zu halten. Das klappt zwar irgendwie auch immer, aber nicht ohne Knirschen im Ablauf. Die Institute und ProfessorInnen benehmen sich wie kleine Fürsten, in ihrer Grafschaft hat man dieses oder jenes schon immer so gemacht und man möchte sich von niemandem reinreden lassen. Eine Koordinierung oder gar einheitliche Strategie – gäbe es sie denn – ist so schon fast von vorn herein zum Scheitern verurteilt. Kleinstaaterei in Reinform. Sehr viel funktioniert über persönliche Bekanntschaften, wer kann mit wem. Ständig werden Intrigen gesponnen und die Fähigkeit, wie Erwachsene ein vernünftiges Gespräch zu führen, ist auch nicht allen Mitgliedern der Universität gegeben.

3. Organisation ist alles

Wenn ich in diesem Jahr wirklich etwas mitnehme, dann ist das eine (zwangsläufig) deutlich verbesserte Selbstorganisation. Der Vorstand muss ständig ein Dutzend Fristen, Termine auf verschiedenen Ebenen im Blick haben und nebenbei mit dem Rektorat kommunizieren, Bericht für die Sitzungen der u-asta Gremien schreiben und halten, mit den anderen Hochschulgruppen reden, Fachschaften besuchen, Presseanfragen beantworten, Räume in der Uni buchen und nebenbei Aushänge aktuell sowie das Haus sauber halten – um nur einige Aufgaben zu nennen. Das geht nicht ohne eine vernünftige Termin- und Selbstverwaltung. So wie die Vorstandsarbeit stelle ich mir die Leitung eines kleinen mittelständischen Unternehmens vor, nur dass man da tatsächliche MitarbeiterInnen zur Verfügung hat und nicht auf freiwilliges Engagement – jenseits des eigenen – hoffen muss. Zum Glück gibt es jedoch sehr gute Onlinekalender, die diese Arbeit deutlich erleichtern.

4. „Geht nicht?“ „Geht doch!“

In 95% der Fälle, in denen jemand behauptet man könne dies oder jenes nicht machen, lügt er oder sie. Die Verhältnisse an der Uni sind menschengemacht, sie können also auch verändert werden. Wenn man Veränderungen will, dann kann man diese erreichen, es nur eine Frage des politischen Drucks und der Dynamik, die man entwickeln kann. Für Bildung ist kein Geld da, für die Rettung einer Bank kann aber in wenigen Tagen ein Drittel des kompletten Jahresetats der BRD locker gemacht werden. Wie oft habe ich mir anhören müssen, man könne an der Struktur der Studiengänge nichts ändern. Als dann 2009 das Audimax besetzt wurde, ging es plötzlich doch. Es geht immer was. Immer.

Damit möchte ich mich verabschieden, die nächsten Einträge auf diesem Blog werden von Anna, Hannes und Rebbe, dem neuen Vorstandsteam, kommen. Ich hoffe dieses Blog war informativ, vielleicht sogar stellenweise unterhaltsam.

Es grüßt,

Lennart

Vorstand, a.D.

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