Reden halten

Hallo allerseits,

gestern durfte ich die Begrüßungsreden für die Erstsemester (im Volksmund: Erstis) der drei GeKo-Fakultäten (Philosophische Fakultät, Philologische Fakultät und Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftliche Fakultät) halten. Einmal durfte ich bei den Lehramtsstudierenden im Hörsaal 1010 und einmal bei die B.A. Studierenden im Audimax sprechen. Das Audimax fasst knapp 800 Leute und es war voll, entsprechend war ich ein wenig nervös. Es lief allerdings ganz rund, ich habe mich ein paar Mal verhaspelt, war aber insgesamt zufrieden. Hier das Manuskript meiner Rede. Es gilt das gesprochene Wort.

Es grüßt,

Lennart

Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, liebe Erstis

ich möchte euch im Namen der Studierenden der Uni Freiburg ganz herzlich begrüßen. Schön, dass ihr da seid!

Erlaubt mir, mich kurz vorzustellen: mein Name ist Lennart, ich studiere Geschichte, Politikwissenschaften und Englisch im 7. Semester auf Staatsexamen. Ich engagiere mich seit meinem ersten Semester in der Fachschaft Geschichte und bin seit dem 1. Oktober im Mitglied im Vorstand des u-asta, der unabhängigen Studierendenvertretung an der Uni Freiburg. Mit fällt es zu, euch im Namen der Studierendenvertretung hier an der Uni Willkommen zu heißen.

Ich habe meine Rede in zwei Teile geteilt. Im ersten möchte ich über den u-asta, den ich hier als Vorstand vertrete, sprechen, im zweiten Teil über das Studium im Allgemeinen.

Lasst mich eingangs kurz erklären, warum die Interessenvertretung der Studierenden hier in Freiburg vom unabhängigen- also u-asta übernommen wird und nicht wie anderswo üblich vom AStA ohne u.

Um dies zu erklären, bedarf es eines kurzen historischen Exkurses. Im Jahr 1977 erlebte die BRD den sogenannten deutschen Herbst, also die Auseinandersetzungen zwischen der Roten Armee Fraktion „RAF“ und dem bundesdeutschen Staat, die in der Entführung des ehemaligen NS-Funktionärs und späteren Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer gipfelten. Das politische Klima war aufgeheizt, Teile der CSU-Bundestagsfraktion forderten gar die Wiedereinführung der Todesstrafe. Zu dieser Zeit war Hans Filbinger Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg. Filbinger hatte schon früh sein Gespür für richtige Entscheidung in angespannten politischen Lagen bewiesen, als er noch im April 1945 in seiner Funktion als NS-Jurist der Marine fleißig Todesurteile gegen Deserteure produzierte. Im Jahr 1977 wurden unter seiner Federführung die Rechte der Studierendvertretungen an Baden-Württembergischen Hochschulen massiv eingeschränkt, die sogenannte Verfasste Studierendenschaft wurde abgeschafft, um Zitat Hans Filbinger „die Sympathisanten-Sümpfe der Terroristen trocken zu legen“ Zitat Ende.

Das führt natürlich zu der Frage, was die Verfasste Studierendenschaft überhaupt ist; was da eigentlich abgeschafft wurde. Eine Verfasste Studierendenschaft ist eine sogenannte Teilkörperschaft des öffentlichen Rechts, die unabhängig ist und relativ weitreichende Rechte hat. In allen Bundesländern außer Bayern und Baden-Württemberg sind die Studierendenvertretung so organisiert. Aber was für Folgen hatte die Abschaffung der Verfassten Studierendenschaft, was waren die konkreten Auswirkungen?

Drei Beispiele:

  1. Die offizielle Studierendenvertretung hat kein politisches Mandat, d.h. sie darf sich nicht zu politischen oder hochschulpolitschen Belangen äußern. Themen wie Bafög oder Studiengebühren sind tabu. Wer sich nicht daran hält, kann verklagt werden.

  2. Die offizielle Studierendenvertretung hat keine Satzungsautonomie. Sie darf also nicht darüber entscheiden, welche Organisationsform sie sich gibt.

  3. Der offizielle AStA hat keine Finanzautonomie, d.h. jeden Cent, den wir ausgeben, müssen wir vom Rektor bewilligen lassen. Wenn das Rektorat sagt: „is nich“, dann „is nich.“ Der AStA darf keine Beiträge erheben und ist damit in seinem finanziellen Spielraum stark eingeschränkt.

Wir ihr euch vielleicht denken könnt, waren die Studierenden schon damals mit dieser „mundtoten“ Vertretung ganz und gar nicht zufrieden und haben im Jahr 1978 eine unabhängige Ersatzstruktur geschaffen, welche die politische Interessenvertretung für die Studierenden übernimmt: den u-asta!

Der u-asta ist basisdemokratisch organisiert, d.h. die Fachschaften bestimmen, wo es lang geht. Fachschaften sind die Studierendenvertretung der einzelnen Fachbereiche. Es gibt eine Fachschaft für Geschichte, eine für Medizin, eine für Englisch usw. Die Fachschaften sind offen, d.h. jeder von euch kann zur nächsten Sitzung seiner Fachschaft gehen und mit entscheiden, was der u-asta tun und lassen soll. Mitentscheiden könnt ihr auch bei der Vollversammlung, die es einmal pro Semester gibt. Dieses Jahr ist sie am Donnerstag den 10. November um 18h im Audimax.

Im u-asta gibt es Referate, die sich mit einzelnen Themenbereichen wie z.B. Umwelt, Lehramtsausbildung, Schwu-Les-Bi etc. beschäftigen. Dann gibt es noch den Vorstand, der kümmert sich um alles mögliche, beispielsweise um die Vertretung des u-astas nach außen hin. Die Räume des u-asta findet ihr in der Belforstraße 24, von hier aus links an der alten UB vorbei.

Dieses unabhängige „u-System“ wird darüber legitimiert, dass bei der jährlichen Uni-Wahl zum mundtoten, offiziellen AStA die u-asta Liste die absolute Mehrheit holt und so für ein weiteres Jahr die Interessenvertretung der Studierenden übernimmt. So geht das seit 1978.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Seit dem Regierungswechsel im Frühjahr sieht es so aus, als würden die „Sympathisanten-Sümpfe der Terroristen“, 14 Jahre nach der Selbstauflösung der RAF, bald wieder voll im Saft stehen. Wenn alles glatt geht, dann wird die Verfasste Studierendenschaft noch vor Beginn des nächsten Semesters wieder eingeführt. Des Weiteren werden es sich die Studiengebühren ab dem nächsten Semester zusammen mit dem VHS-Rekorder und dem Sendeformat „Schmidt und Pocher“ auf dem Müllhaufen der Geschichte bequem machen, dort wo sie hingehören. Damit werden zwei Kernforderungen des u-asta endlich erfüllt. Glaubt mir, als ich im Wintersemester 2008 da saß, wo ihr jetzt sitzt, da sahen die Dinge noch anders aus.

Doch genug von der Politik, ihr seid ja nicht nur deswegen hier. Ich komme also zum zweiten Teil meiner Rede, ich komme zum Thema Studium. Ich möchte euch einen Ratschlag mit auf den Weg geben: seid keine Seminarleichen. Unter einer Seminarleiche versteht man jemanden, der zwar im Seminar sitzt, aber eben nicht mehr tut, als im Seminar zu sitzen. Damit meine ich nicht nur, dass ihr euch in euren Veranstaltungen einbringen sollt (glaubt mir, es gibt nichts schlimmeres als Seminare, in denen niemand den Mund auf bekommt), sondern ich meine damit auch, dass ihr die Uni mit all ihren Möglichkeiten nutzen sollt. Die Uni ist kein Fastfood-Restaurant, in dem man ein Menü bestellt – ein Bachelor of Arts mit Berufsqualifikation und kleiner Cola bitte-, das ihr dann in euch reinstopft und anschließend wieder geht. Ihr seid auch nicht mehr in der Schule, in der Lehrer über euch die Aufsichtspflicht hatten. Ihr seid jetzt, die meisten von euch zumindest, Erwachsene, die von Erwachsenen auf Augenhöhe unterrichtet werden. Die Uni verlangt zwar mehr Eigenverantwortung als die Schule, aber sie bietet euch auch mehr Freiheit. Nutzt diese Freiheit und engagiert euch! Arbeitet bei einer der zahlreichen studentischen Gruppen mit, glaubt mir, die freuen sich immer über interessierte Menschen! Der u-asta natürlich auch. Ihr selbst profitiert in vielerlei Hinsicht von Engagement, nicht zuletzt, weil ihr eine Menge interessante Menschen kennen lernt, die ihr sonst wohl nie treffen würdet.

Ich bitte euch, seid keine Seminarleichen, dafür ist die Zeit an der Uni viel zu kurz und die Möglichkeiten sind zu vielfältig, als dass ihr sie ungenutzt lassen solltet. Die Uni ist kein Fast-Food Restaurant und bitte behandelt sie nicht so. Die Uni lebt davon, dass Menschen mehr machen, als zu ihren Veranstaltungen zu gehen und ihre Prüfungen abzulegen.

Abschließend möchte ich euch noch eine Sache mit auf den Weg geben. Wenn ihr euch in einem Jahr noch an irgendetwas von diesem Vortrag erinnern könnt, dann bitte an das Folgende: die Uni ist ein großes Stück Wachs. Ihr seid neu an der Universität und da kann manchmal der Eindruck entstehen, dass die Uni wie ein Block Granit ist. Es gibt feste, klar strukturiert Formen, die sich nicht ändern lassen. Alles ist so, wie es nun mal ist und daran kann man nichts ändern. Manche meiner Kommilitonen denken das bis heute, aber dieses Bild von der Universität ist falsch. Es ist schlichtweg falsch. Ich weiß es aus meiner eigenen Erfahrung. Die Uni ist kein Block Granit. Die Uni ist ein großes Stück Wachs. Die Strukturen sind kompliziert und oft etwas unklar, aber wenn man genug Druck aufbaut, kann man sie verändern.

Seid keine Seminarleichen, seid Wachsverformer!

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

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